anarchie hat keinen guten ruf. aber wenn horst seehofer davor warnt und trump sie fürchtet, kann es doch gar nichts so schlechtes sein – oder? hier räumen wir mit anarchie auf. anarchie ist chaos? selbstjustiz? so oder so ähnlich hast du dir das auch schonmal gedacht oder gehört? klicke auf die gängigen assoziationen, um zu erfahren, wie die sache aus einem anderen blickwinkel aussieht!

für uns grundsätzlich wichtigem haben wir eine poster-serie gewidmet.

und wie wir selbst versuchen, diese prinzipien beim arbeiten in die tat umzusetzen? dafür haben wir dieses knappe manifest.

Anarchie ist Leben ohne Herrschaft

Anarchie, vom altgriechischen Wort άναρχία für ,abwesende Herrschaft‘, bedeutet genau das: soziales Zusammenleben ohne Herrschaftsverhältnisse. Herrschaft ist eine asymmetrische soziale Beziehung, wobei eine Seite der Beziehung Macht über die andere Seite ausübt. Einmal legitimiert, erhält die Herrschaft sich selbst und stellt sich nicht mehr infrage. Das ist problematisch, denn Herrschaft und Hierarchien, also asymmetrische soziale Beziehungen, sollten immer nur dann Macht über Menschen ausüben, wenn diese es unmittelbar legitimieren und daraus einen Nutzen ziehen. So kann sich zum Beispiel eine Hierarchie ergeben, wenn eine Person etwas besonders gut kann und eine andere Person von dieser lernen möchte. Dieses Verhältnis nennt man eine Wissenshierarchie oder natürliche Hierarchie. Im Gegensatz zu diesen verneint die Anarchie aber unnatürliche Hierarchien. Der Anarchismus ist die Lehre und Praxis der Anarchie.

Anarchie ist Ordnung ohne Hierarchien

Wer sich Anarchie als chaotischen Zustand vorstellt, impliziert damit häufig, dass der heutige Zustand der Welt ordentlich sei und keiner Verbesserung bedürfe. Doch sind Massentierhaltung, Monokulturen, Privatisierung, Spekulation, Kriege, Flüchtende, Verwüstung, Polizeigewalt, Diskriminierungen, Obdachlosigkeit, Leerstand, Klimakrise – (in) Ordnung? Oder nicht eher total OUT OF ORDER? Anarchist*innen analysieren diese chaotischen Zustände der heutigen Welt und führen sie auf schlussendlich einen Missstand zurück: Herrschaft von Menschen über andere. Sie stellen sich eine neue Gesellschaftsordnung vor, die ohne Herrschaft auskommt. Das anarchistische Chaos entsteht dabei eher daraus, dass viel verändert und diskutiert werden muss, da alle mitmachen können und sollen. Ordnung kann dadurch zwar immer wieder hergestellt werden, ist aber kein permanenter Zustand in einer belebten Welt, die sich stetig verändert.

Anarchie ist gemeinsam frei sein

Konkurrenz und Wettkampf sind zwar starke Antriebe, Kooperation und Gemeinschaftsgefühl jedoch umso mehr. Und mit Sicherheit sind letztere der angenehmere ,soziale Motor‘. Eine Gesellschaft, die weiß, dass sie sowohl im produktiven als auch im emotionalen Sinne von Zusammenhalt profitiert, ermöglicht erst wirkliche Empathie und Solidarität. Diese stehen mitnichten dem Vorankommen Einzelner oder einer Gesellschaft insgesamt im Wege – an irgendeinem Punkt im Leben wird selbst einem nur auf sich bedachter Menschen klar, dass er auf andere angewiesen und von ihnen abhängig ist. Das nicht als Schwäche zu begreifen, wäre eine große Stärke. Trotzdem braucht sich einer anarchistischen Gemeinschaft niemand unterzuordnen. Zu ihr gehört auch, dass sie abgelehnt werden kann, dass eigene Wege gegangen werden können. Nur dann ist jede*r, sind alle frei. Denn die Freiheit der Anderen ist die Bedingung der Freiheit des Einzelnen.

Anarchie ist soziales miteinander

Manchmal tun Menschen einander weh, überschreiten Grenzen und verletzen andere. Schmerz, Beleidigung und Rachegelüste sind dann natürliche Reaktionen. Zumeist ist es aber gesunder Menschenverstand, der einen daran hindert, diese auszuleben; Rache und Vergeltung zu üben – mehr jedenfalls als die Strafjustiz, die Recht, aber nicht unbedingt Gerechtigkeit kennt. Es gibt genügend Gründe zur Annahme, dass in einer anarchistischen Gesellschaft – in der alle an die Anarchie glauben, in der weniger Verbote einen einschränken, in der Grundbedürfnisse befriedigt sind und keinen Anlass zur Sorge geben – weniger von dem stattfindet, das wir heute kriminell nennen. Soziale Normen und Sanktionen, Verantwortungsbewusstsein sich selbst und anderen gegenüber könnten unser Miteinander erfolgreicher prägen als Gesetze und Gerichte.

Anarchie ist noch nie gescheitert

Anarchie ist in der Vergangenheit mit Waffen und Gewalt durchgesetzt worden – gegen Regime, die für Anarchist*innen nichts als Waffengewalt übrig hatten. Die Pariser Kommune, der kurze Sommer der Anarchie in Barcelona – Momente, in denen das theoretische Konzept einer herrschaftsfreien Gesellschaft Realität zu werden schien. Diese Momente sind blutig niedergeschlagen worden und anarchistische Vorkämpfer*innen wurden systematisch verfolgt und vernichtet. Doch das Projekt Anarchie ist dabei nie von sich aus gescheitert. Und so existieren auch abseits der großen politischen Schauplätze zahllose Projekte und Gemeinschaften, in denen nach anarchistischen Prinzipien zusammengelebt, gearbeitet, gewirtschaftet, gestaltet wird.

Anarchie ist emanzipiert Handeln

Anarchie ist etwas für Faule, die keine Lust haben, ihren Lebensunterhalt durch echte Arbeit zu verdienen? Achwas, aber die paar Faulen trägt die Gesellschaft schon auch mit. Und wieso sollte der Wert von Menschen überhaupt nach Leistung bemessen werden? Anarchist*innen glauben jedoch grundsätzlich an Menschen, die gerne etwas tun und die nicht gern auf Kosten anderer faul herumliegen. ,Arbeit‘ kann dabei sehr vielfältig sein und eigentlich alles umfassen, was getan werden muss, kann oder darf. Sich an allen Entscheidungen im eigenen Leben und der eigenen Gemeinschaft zu beteiligen, Diskussionen zu führen, Streit zu streiten und zu schlichten, Lösungen für Probleme zu finden, ist dabei ganz schön anstrengende Arbeit und mit viel Verantwortung verbunden. Nervige Lohnarbeit dagegen wird reduziert, damit mehr Zeit und Muse bleiben für lebenswichtige Aufgaben wie soziale Beziehungen oder politisches Handeln.

Anarchie ist immer in Bewegung

Es ist richtig, dass der Anarchismus, im Vergleich gerade zum Marxismus oder zum Sozialismus, kein einheitliches, festgeschriebenes Gebilde ist. Seine Eigenheit ist gerade sein undogmatischer Charakter. Es gibt keine festgeschriebenen Normen und Glaubenssätze, sondern die gemeinsame Idee der Anarchie – des herrschaftsfreien Zusammenlebens. Unter dem Begriff der Anarchist*innen versammeln sich daher sehr viele Menschen mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen von Anarchismus. Es gibt Anarchafeminist*innen, Anarchosyndikalist*innen, … Was wir heute unter Anarchismus verstehen, ist dementsprechend geprägt von vielen Theoretiker*innen, zahllosen Kämpfer*innen und Revolutionär*innen.

jetzt klingt das schon gar nicht mehr so übel? du bist richtig auf den geschmack gekommen und magst am liebsten mitmachen? leg’ los! wir haben ein paar ideen vorbereitet, die auf ihre umsetzung warten.

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